Westbank 2.1 - Nablus
Am Freitag Nachmittag machten Daniel und ich uns dann auf von Bethlehem nach Nablus zu fahren. In Israel schließen viele Sehenswürdigkeiten bereits um 4 oder 5 Uhr. Ähnlich verhält es sich mit dem arabischen Bussystem. Ab 6 Uhr kann man sich nur noch eingeschränkt fortbewegen. Und da wir über Ramalah (Palästinas Quasi-Hauptstadt) fahren mussten, fuhren wir schon etwas früher los. Das Umsteigen dort von einem Sammeltaxi ins Nächste ging aber so reibungslos, dass wir doch etwas zu früh in Nablus ankamen. Dort sollte uns der Bruder von Daniels Studienkolegen abholen, der aber noch arbeiten musste, als wir ankamen. Also liefen wir zuerst alleine durch die Stadt. Wir überlegten uns ob wir einen Kaffee trinken sollten um die Zeit tot zu schlagen, allerdings war mir dabei ein bisschen komisch zu Mute ein Kaffeehaus zu betreten und so ließen wir es bleiben. Ein Kaffeehaus in Nablus und wohl auch generell ist eine große Halle/Raum, in dem kleine Tische mit Holz- oder Plastikstühlen aufgestellt sind. Sich hier aufzuhalten, Kaffee zu trinken, Karten zu spielen und Nargile (Shisha) zu rauchen, ist vor allem abends für die Männer eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Besonders einladend sieht das nicht aus. Später am Abend sollten wir aber mit dem besagten Bruder und Freunden von ihm in genau so ein Kaffeehaus gehen, was dann doch wesentlich angenehmer war, denn sie kannten sich ja schließlich aus.

Kaffeehaus

Arabischer Kaffee
Nach dem kleinen Abstecher zum Kaffeetrinken, wo ich einen typisch total überzuckerten Tee trank, fuhren wir zu einem Aussichtspunkt uns sahen über das nächtliche Nablus. Der ältere Bruder war ungefähr in unserem Alter, hatte schon eine Halbglatze und sprach viel über eine Haartransplantation in Italien. Den ganzen Abend begleitete uns aber auch noch der kleine Bruder, welcher etwa 13 war, noch zur Schule ging und kaum Englisch sprach. Zurück in der Wohnung der Familie lernten wir auch noch die Eltern und die 18 Jährige Tochter kennen, die zu unserer Überraschung als eine der wenigen Frauen in Nablus kein Kopftuch trug.

Nablus bei Nacht
Wir unterhielten uns bei typisch arabischen Essen, welches aus verschiedenen Dips und Aufschnitten besteht, welche man mit der Hand und Pita isst, so gut es das Englisch der Familie eben zuließ. Die Mutter war besonders interessiert an dem Alter unserer Eltern, den Berufen und der Anzahl der Kinder. Sie selbst war 50 und hatte bereits 6 Kinder zur Welt gebracht, was hier wohl auch keine Seltenheit ist. Wer er sich leisten kann schickt seine Kinder allerdings wohl ins Ausland, denn zwei ihrer Söhne studieren in Deutschland und einer lebt in Dubai.

Seifenfabrik
Wohl aus Höflichkeit bot die Familie uns auch immer wieder an zu Duschen, als ich aber am nächsten Morgen einmal in die Duschbadewanne sah, war diese angefüllt mit allerlei Spielsachen. Leider ist Wasserknappheit in Palästina durchaus ein Problem, denn das Wasser kommt von der israelischen Regierung in die Region. Jedes Haus hat einen große schwarze Tonne auf dem Dach, in welcher Wasser gespeichert wird. Wir hörten allerdings unterschiedliche Geschichten und so möchte ich beide Versionen erzählen, ohne zu wissen welche nun mehr der Wahrheit entspricht.
Die Wasserkanister auf den Dächern werden im Winter einmal pro Woche gefüllt und im Sommer manchmal sogar nur einmal im Monat, und die Familie muss sich das Wasser so einteilen, dass es eben reicht. Oder, die Behälter sind nur dazu da, falls der Wasserdruck gerade gering ist, diesen zu erhöhen, es gibt immer fließend Wasser. Beide Versionen beinhalten wohl die Wahrheit, es kommt eben darauf an, in welcher Stadt man sich gerade befindet. Denn auch in Israel selbst erkennt man die arabischen Häuser an den schwarzen Tonnen auf dem Dach, wo diese aufgrund der traditionellen Bauweise mit eingebaut werden.

Knafe-Stand

Gewürzstand
Am Vormittag zeigte uns der ältere Bruder ein wenig die Stadt. Unter anderem eine Seifenfabrik, in der die Seife noch per Hand hergestellt und verpackt wird, ein Badehaus und die besten Stände auf dem Markt. Dort konnten wir zusehen wie Knafe hergestellt wird und auch den besten Knafe essen, denn ich je in Israel gegessen hatte. Laut Aussage des Verkäufers gehen an einem guten Tag am Wochenende 200 dieser großen Räder weg und als wir uns später selbst eine Portion davon kaufen wollten, ging es so zu, dass wir "zwei Bleche" warten mussten, bis wir auch etwas bekamen.

Geschmückter Turm
Da der Bruder bald wieder arbeiten musste und der Freund, der uns stattdessen begleiten sollte wohl doch nicht konnte, verbrachten wir den Nachmittag alleine, kauften Gewürze und Käse auf dem Markt und tranken Kaffee.

Daniel mit Nargile

Nablus
Leider hatten wir nicht mit der Gastfreundschaft der Familie gerechnet. Denn sie hatten uns am Morgen nicht nur mit Geschenken (Schaal, Socken, Käse) überhäuft, sondern machten sich nun auch Sorgen, ob wir uns denn alleine in Nablus zurecht fänden. So mussten wir mehrere besorge Anrufe und das Angebot entschieden abwehren, dass nun der Vater zu uns kommen sollte. Als wir schließlich wegen des Sabbats nicht genau wussten, ob wir über einen nördlichen Checkpoint mit dem Bus wieder nach Israel kämen, was wohl schneller gewesen wäre, als wieder über Jerusalem zurück nach Haifa zu fahren, boten sie uns sogar an, noch eine weitere Nacht bei ihnen zu bleiben.

Gastmutter und ich
Schließlich kamen wir Samstagabend sehr spät, aber mit einer Menge neuer Eindrücke wieder in Haifa an. Rückblickend war es wohl einer der interessantesten Ausflüge.